Texte aus dem ersten Buch

von

Ingrid Pajank

Eine Liebeserklärung

An manchen Tagen
bin ich mir so fremd,
wie das kleine Sterben,
das ich in den Gesichtern
der Menschen sehe.

An manchen Tagen
bin ich mir so fremd,
wie das besitzergreifende
Grinsen derer, die meine
Wege kreuzen.

An manchen Tagen
bin ich mir so nah,
wie dein Lächeln meinem Mund,
wie dein Wort meiner Sprache,
wie dein Gedanke meiner Seele.

Fremdheiten

das meer liegt hölzern vor mir
der wind stößt häuser
vor sich her
ich muss aufpassen

steine fallen wie regentropfen von oben
sie machen die selben
klatschenden geräusche beim auftreffen
sie machen nicht nass

wo bist du

ich sehe dich den steinen ausweichen
du rufst nach mir
ich höre dich
doch das holz des meeres liegt zwischen uns

und du kannst nicht schwimmen

Du

Du liegst an meinen Ufern,
ganz offen, zerbrechlich, verletzbar,
mit einem Lächeln
im schlafenden Gesicht und ahnst nicht,
dass ich über dich wache.

Es ist schön an meinen Ufern
zu liegen,
doch auch gefährlich,
so offen und wehrlos,
kann ich dir tiefe Wunden reißen.
und du......

Du, ich lass dich schlafen
und leg mich müde,
ganz offen, zerbrechlich, verletzbar
an deine Ufer,
bin unendlich verwundbar
und lächle.

Erde

Es regnet schon seit vielen Stunden
und meine Gedanken
wollen den Regentropfen folgen,
von ganz oben bis ganz unten,
rein in die Erde,
diese feuchte, warme Erde,
sich ausbreiten und
vergehen,
allgegenwärtig,
nicht fassbar und doch SEIN.
Sein für immer,
da jeden Augenblick sterben können,
wollen,
müssen,
vergehen in dir ERDE.

Kranke Tage

Schwere Feuerzangen halten mich,
wilde Stürme toben nah dem Ohr,
Hitzemeere tanzen sich
Schmerzgirlanden vor.

Flüsse ziehn durch meine Glieder,
Treibholz schlägt mir ins Gesicht,
träge sinken meine Lider
in die Krankheit ohne Licht.

Schwer trägt mich der Atem,
feuchte Gräser liegen flach,
Körper, liegst in meinem Garten,
krank, die Fieberseelen im Gemach.

Brief an einen geliebten Opportunisten

Du liegst breit, glatt und flach vor mir, so unbeschrieben. Stimmt es, was man über dich erzählt? Dass du geduldig, ohne Schuld und rein wie dein Weiß bist? Ich zweifle hier und jetzt deine Unschuld, deine Reinheit an. Bist du nicht vielmehr einer der größten Opportunisten, der mir je begegnet ist? Höre ich nicht jedes Mal wenn du vor mir liegst dieses lautlose Flehen nach dem Beschriebenwerden, nach der Existenz des Wichtigen. Denn erst, wenn Tinte in deine Schichten fließt, wenn Worte dich zum Leben erwecken, bekommst du deine Daseinsberechtigung. Und will nicht jeder seinem Sinn am nächsten kommen? Ist es nicht so, dass du nach jedem Schreiberling lechzt, der dich missbrauchen will? Ja, du siehst dich gerne im Licht des Missbrauchten, der deine Reinheit beschmutzt. Doch ich weiß, dass es dir einerlei ist, was auf dir geschrieben steht. Ob politische Hasstiraden oder schmachtende Liebesworte, du saugst sie alle in dir auf, diese Worte. Nur voll musst du sein. Nur möglichst viel soll auf dir stehen. Dann erst bekommst du Gewicht, Bedeutung und Sinn. Du bist nicht mehr glatt und flach. Du bist mit einemmal gewaltig, nimmst Teil am Geschehen der Welt. Lässt Herzen brechen und Kriege entstehen, spürst Macht zwischen deinen Fasern und suhlst dich in deinem Glück, gelesen zu werden. Du willst genommen, benützt und beschrieben werden. Das ist deine Wahrheit. Die Wahrheit des Schreibers, oder gar der Welt schert dich einen Dreck. Du kümmerst dich nicht darum, was nach dem Geschriebenen kommt. Wozu auch? Was gehen dich die kleinen Menschenseelen an, die sich auf dich ergießen und in dir ausbreiten. Nichts! Du bist prall und voll, hast jedes Wort in dir aufgenommen und gibst es nicht mehr her. Man kann dich zerreißen, verbrennen und letztendlich ganz zerstören, doch du weisst um das Unabänderliche, das Endgültige, GELESEN WORDEN ZU SEIN!

Bei Erscheinen des Buches werden wir Sie hier informieren.


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