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Der Ansatz Wie der in Fernando Pessoas "Das grosse Buch der Unruhe" portraitierte Hilfsbuchhalter begehe ich den Acht-Stunden-Tag: Arbeitsbeginn 8.30, Mittagspause 12.30-13.30, Arbeitsschluss 18.30.
Malarbeit
Schreibarbeit
Sammeln München, den 09. Juli 2003
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Ausstellung im Rathaus Berg Wundersame Struktur der Zeit in Bildern Die Künstlerin Dagmar Schönemann macht den Verlauf von Stunden und Tagen sichtbar
Schönemanns Arbeiten fußen auf einem mathematischen Zahlensystem, dass sich auf die Stunden, Tage, Monate und Jahre als Zeiteinheiten bezieht. So gibt es „Einjahresbilder“ mit je 24 Linien pro Tag, die nach Abschluss der Arbeit, wie Karin Höh-Knüppel in ihrer Einführung sagte, „eine wundersame Struktur zeigen, vergleichbar einem kostbaren Gewebe mit einer unerwarteten Farbharmonie“. Die „Dreijahresbilder“ entwickeln sich aus Punkten. Das Tagesdatum wird mit 24 multipliziert, genau so viele Punkte werden dem Bild hinzugefügt, zugleich wird das Bild im Uhrzeigersinn gedreht. Daraus entsteht Verdichtung und Ausdehnung im Bildraum auf weißem Grund. Die verwendete Farbskala ist immer die gleiche, immer arbeitet Schönemann mit einem Pinsel der Größe Null und mit Plaka Farbe. Schönemann, die in Hamburg an der Hochschule der Bildenden Künste bei Stanley Brouwn studierte, versucht den Verlauf der Zeit in ihren Bildern und Installationen festzuhalten, einen nicht sichtbaren Bewegungsablauf wie in einer Zeitlupenaufnahme dingfest zu machen. Als Vorbild verweist die Künstlerin auf Roman Opalka, der seit den sechziger Jahren Tag für Tag das Datum auf weiße Leinwände schreibt. „Ich sitze ganz mönchisch und male fast mechanisch meine Punkte oder Linien“, sagt Schönemann. Für sie hat diese Arbeit einen meditativen Charakter – abgesehen davon, dass sie eine Affinität zum Zählen und Ordnung schaffen hat, die immer wieder um die Grundsatzfrage kreist: Wie vergeht die Zeit? Jeden Tag knüpft sie Perlen auf eine Perlenkette, immer im gleichen Farbenschema. Eine weiteres Projekt sind ihre Zeichnungen der Briefträger der Welt: An 192 Hauptstädte der Welt hat sie einen Brief geschrieben, bei dem sich die Empfängeradresse aus ihrem rückwärts geschriebenen Namen ergibt. Die Postleitzahl ist die Anzahl der Quadratmeter des jeweiligen Landes. Die Hausnummern sind von 1 bis 192 durchnummeriert. Inhalt des Briefes ist das ausgeschnittene Land einer Weltkarte, die ebenfalls Exponat der Ausstellung ist. Der Vermerk: „If unknown, please return to sender!“ veranlasste die Briefträger der Welt, die Briefe zurück zu senden – 121 Briefe sind im Laufe eines Jahres zurückgekommen. Die Vermerke der Briefträger wiederum hat Schönemann als Diagramme auf Pergamentpapier gepaust. Sammeln, Ordnung schaffen und Verbindungen herstellen zum Faszinosum Zeit, dem unwiederbringlichen Element des Daseins. Die Künstlerin versucht die Zeit auf anschauliche Weise, man könnte fast sagen, „einzufrieren“ und in Bildern und Installationen zu manifestieren. NIKE SAUERWALD © Süddeutsche Zeitung - Landkreisausgaben vom 09.07.2003 - Starnberg
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